"Begegnungen"
Don´t judge anyone
before you've walked a mile in his shoes.


Vor einigen Monaten begegneten mir vier Künstler. Sie kamen aus einem anderen Jahrhundert, aus fernen Ländern hereinspaziert, direkt in meine Werkstatt. Sie sprachen zu mir aus Büchern, aus Abbildungen, ja, auch aus dem Internet. Durch eine Krankheit zur Ruhe gezwungen, war ich sehr offen für ihre Gedanken. Ich suchte sie in ihren Lebensumständen zu entdecken, folgte den Spuren ihrer Lebenswege, vertiefte mich in ihre Art und Weise zu arbeiten und stellte überrascht bei jedem von ihnen einschneidende Veränderungen fest, nachdem sie mit Krankheit, mit Schwäche oder mit körperlichen Einschränkungen in Berührung gekommen waren.


Henri Matisse, an den Rollstuhl gefesselt, begann in seinem "neuen Leben" mit Papier und Schere "wie ein Bildhauer" zu arbeiten und schuf seine berühmten Cut-Outs.
Paul Klee, der in seinen späten Jahren unter einer grausamen rheumatischen Hauterkrankung litt, malte seine Engel zornig, weinend, tröstend und schließlich keck.
Joan Miró, der lange Jahre mit zu wenig Geld auskommen musste, litt unter Hungerphantasien, die ihn wohl zu den surrealistischen Monstern und Geistergestalten anregt haben, die seinen Stil bis heute unvergleichlich gemacht haben.
Friedrich Hundertwasser hat sich von den Arbeiten berühren und inspirieren lassen, die schizophrene Patienten gemalt haben. Ihre Spiralen sind in seinen Arbeiten zum farbenfrohen Symbol für Leben und Tod geworden.

Schließlich bin ich in vier Paar fremde Schuhe gestiegen und habe meine Pinsel in fremde Farbe getaucht. Ich habe versucht in ihrer Sprache meine Aussage zu machen, habe gespürt, wo die geliehenen Schuhe drücken, wo sie für größere Sprünge geeignet sind, als ich mir alleine zugetraut hätte und bin in fremdem Terrain aufgetaucht. Meine Gedanken habe ich in Briefen an die vier "Besucher" zusammengetragen. Darüber ist die Erfahrung meiner Schwäche und körperlichen Einschränkung verblasst. Mit staunenden Augen schaue ich die gewendete Situation an.

Und hier stehen wir nun beieinander, allesamt so transparent, daß wir die Bilder der Anderen nicht nur hinein, sondern durch uns hindurch lassen. Wir sind verschieden und doch ähnlich. Wir wirken sowohl einzeln, als auch miteinander, beeinflussen uns gegenseitig.
Eine Begegnung hat ihre Spuren hinterlassen.

Urteile nicht,
bevor Du nicht ein Stück des Weges
in den Schuhen des Anderen gegangen bist.



Während der Ausstellung in Wiesenburg haben Jugendliche die Möglichkeit,
den Gedanken der Inspiration weiter zu spinnen. Sie bemalen u. a. Stühle à la Hundertwasser.



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